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Lindemann realisiert Bauprojekte in der Golfregion

2015-12-13

Bad Oeynhausen (WB).Im mittleren Osten kennt sich der Architekt Tobias Lindemann (45) bestens aus. Derzeit ist er an der Projektentwicklung und Realisierung mehrerer Großprojekte in Saudi-Arabien beteiligt. Über seine Motivation spricht er im Interview mit dieser Zeitung. Die Fragen stellte Redakteur Malte Samtenschnieder.

Wie kommt ein Architekt mit Wurzeln im ostwestfälischen Bad Oeynhausen dazu, Großprojekte in Saudi-Arabien, Abu-Dhabi, Dubai oder auch Qatar zu realisieren?
Tobias Lindemann: Seit meinem Studium fasziniert mich die Planung und Umsetzung urbaner Visionen. Ende der 90er Jahre war ich das erste Mal in Dubai, als dort der Bauboom gerade begann. Mit Zwischenstationen in Singapur, Hong Kong und Tokio, bin ich seit fünf Jahren im mittleren Osten aktiv – vorwiegend in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nach einer intensiven Akquisitionsphase vor Ort kamen die ersten kleineren Aufträge, heute bin ich an der Projektentwicklung und Realisierung mehrerer Großprojekte in Saudi-Arabien beteiligt.

Wie unterscheidet sich die Mentalität Ihrer Geschäftspartner im mittleren Osten von der Mentalität Ihrer Geschäftspartner in Deutschland?
Lindemann: Das Königreich Saudi-Arabien befindet sich in einem massiven Umbruch und wird in den kommenden Jahren eine enorme Wirtschaftskraft entfalten. Im Vergleich der Mentalitäten sind die Unterschiede geringer als vermutet. Allerdings sind Verhandlungen mit arabischen Partnern zeitintensiv. Aber ist das bei wichtigen Projekten in Deutschland anders? Die Emirate Abu Dhabi und Dubai unterscheiden sich dabei von Saudi-Arabien. Saudi-Arabien ist ein sehr junges Land mit einem Altersdurchschnitt von 25 Jahren. Und die junge Generation bestimmt die Entwicklung des Landes, auch und gerade die saudischen Frauen. Man muss die arabische Kultur respektieren. Letztlich gilt in Saudi-Arabien der Handschlag mehr als ein Vertrag.

Wie empfinden Sie Begegnungen etwa mit den Mitgliedern der saudischen Königsfamilie?
Lindemann: Die Begegnungen mit Mitgliedern der Königsfamilie sind von Gastfreundschaft, Offenheit und Respekt geprägt. Gerade in den vergangenen Jahren bemerken wir, dass die saudische Königsfamilie bestrebt ist, das Land zu modernisieren und die saudische Bevölkerung am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren zu lassen. Sicher ist es wichtig, dass die nachfolgende Generation an sehr guten Hochschulen im Ausland studiert und mit dieser Auslandserfahrung ins Königreich zurückkehrt. Viele der Studenten studieren bisher in den USA und Großbritannien, aber Deutschland wird hier als Gastgeberland in Zukunft aufholen. Saudi-Arabien steht vor einer wichtigen Evolutionsphase und sieht Deutschland als langfristigen, starken Partner.

Wären Projekte, wie Sie sie derzeit im mittleren Osten planen und umsetzen, auch in Europa denkbar?
Lindemann: Nein, außer einem aktuellen Innovationsprojekt im Bereich Energieeffizienzhaus. Die Planungen in Saudi-Arabien umfassen große Investitionen in den Bau innovativer, neuer Städte und Stadterweiterungen sowie die Modernisierung der gesamten Infrastruktur des Landes. Zudem wachsen die vorhandenen Metropolen schnell. Europa und vor allem Deutschland haben andere Aufgabenstellungen. Es ist es aber bezeichnend, dass innovative Technologieprojekte in Deutschland durchaus kritisch aufgenommen werden. Eine Anekdote am Rande: Ich wollte gerade ein ganz kleines Projekt in Ostwestfalen planen. Allerdings gibt es einen 30 Jahre alten Bebauungsplan, der diesem Vorhaben entgegensteht. Gegenfrage: Wie lange dauert es hier, eine stadtentlastende Umgehungsstraße zu planen und fertigzustellen?

Wodurch unterscheiden sich die Rahmenbedingungen im mittleren Osten von denen in Europa?
Lindemann: Nehmen wir nur Saudi-Arabien und Deutschland im direkten Vergleich. König Abdullah, an der Spitze der einflussreichen saudischen Königsfamilie, plant mit Hilfe der besten Ingenieure und Architekten die Zukunft des Königreichs für die Zeit nach dem Ölboom. Deutschland hat bereits eine ausgezeichnete Infrastruktur und ist nach wie vor wirtschaftlich stabil, trotz Euro-Krise. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind an beiden Standorten ausgezeichnet. Deutschland ist ein exzellenter Standort mit herausragenden Unternehmen, auch in Ostwestfalen. Aber wir brauchen die schnellere Umsetzung von innovativen Projekten und nachhaltige Innovationskraft in neuen Technologien.

Was macht Sie für deutsche Großunternehmen und die Bundesregierung in Hinblick auf Bauprojekte in der Golfregion zu einem wertvollen Ansprechpartner?
Lindemann: Auf Einladung von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer habe ich im März an der Delegationsreise nach Saudi-Arabien teilgenommen. Bereits 2011 hatte ich die Delegation der Bundesarchitekten- und Außenhandelskammer nach Riad und Jeddah begleitet. In NRW und Bayern berate ich Unternehmen, die in der Golfregion und Saudi-Arabien Vertriebszentralen, Vertretungen oder Fabriken planen. Dabei spielt die Auslandserfahrung, das Netzwerk und mein direkter Kontakt zu Regierungsebenen die zentrale Rolle. Als Architekt liegen meine Schwerpunkte in der Stadt- und Flughafenplanung. Zudem liegt ein Fokus in Innovationstechnologien bei energieeffizienten und nachhaltigen Bauten, gerade bei technisch aufwendigen Projekten.

Ihre Projekte umfassen neben Villen, Hotels und Hochhäusern auch Verkehrsbauten, Flughafenerweiterungen oder den Bau medizinischer und technischer Einrichtungen. Welcher Gebäudetyp bildet für Sie als Architekt eine besondere Herausforderung?
Lindemann: Eine besondere Herausforderung stellen Projekte dar, die nahezu alle oben genannten Typen in einer einzigen gesamten Stadtplanung einer neuen Stadt oder Stadterweiterung beinhalten. Saudi-Arabien plant, bekanntermaßen, mehrere neue Mega-Stadtstrukturen. Dazu sind Experten- und Innovationsteams aus Fachingenieuren und Architekten erforderlich, die alle Fachbereiche abdecken. Dass solche Großprojekte eine besonders hohe Herausforderung in allen Leistungsphasen darstellen, ist klar.

Die Bauprojekte in der Golfregion werden aus »sprudelnden Erdöl-Dollars« finanziert. Welche Widerstände müssen Sie überwinden, wenn Sie in einer Region, die über scheinbar unerschöpfliche Rohstoffe verfügt, auf Nachhaltigkeit und einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen setzen?
Lindemann: Dieses Thema wird in Saudi-Arabien auf verschiedenen Regierungsebenen behandelt. Da in einigen saudischen Regionen im Sommer bis zu 50 Grad Celsius erreicht werden, liegt es nahe, im großen Maßstab regenerative Energiequellen einzusetzen. Wie im Baubereich gibt es im Bereich der Ressourcenplanung großen Beratungsbedarf und langwierige Entscheidungsprozesse. Nachdem ich erfahren habe, dass einige saudische Minister trotzdem Atomreaktoren planen, haben wir den beteiligten Ministern stattdessen innovative Strategien und Technologien der Stromerzeugung angeboten, wie bereits skizziert.

Wie fällt Ihre Antwort aus, wenn Sie Ihren Geschäftspartnern am Persischen Golf die Vorzüge Ihrer ostwestfälischen Heimat erläutern sollen?
Lindemann: Kurz und knapp – ich lade sie nach Bad Oeynhausen ein. Haben Sie sich nicht schon gewundert, dass Besucher aus Saudi-Arabien nach Bad Oeynhausen in den Kurpark kommen oder sich im Herzzentrum vorstellen? Vielleicht ist es auch gar nicht weiter aufgefallen, da unsere arabischen Gäste in Deutschland gern ohne weißes Gewand ausgehen.

Sie sind ständig in aller Welt unterwegs. Was machen Sie, um zwischendurch einmal zu entspannen?
Lindemann: Da wir im Sommer 2011 Nachwuchs bekommen haben, lege ich zunehmend Wert darauf, nicht ständig unterwegs zu sein. Ansonsten nutze ich Flugzeiten zum Abschalten. Wirkliche Entspannung finde ich allerdings nur bei meiner Familie. Gut, bei einem kleinen Baby gibt es da gewisse Einschränkungen.

Zur Person
Diplom-Ingenieur Tobias Lindemann (MBA) studierte Architektur an der Technischen Universität (TU) Berlin. An der TU München und Unternehmer-TUM (UC Berkeley & HHL Leipzig) absolvierte er den postgraduierten Masterstudiengang »Innovation & Business Creation«. Er ist als freischaffender Architekt Mitglied der Architektenkammer NRW und des »Architects Registration Board« in London. Gleichzeitig ist er unter anderem geschäftsführender Gesellschafter von Beteiligungsunternehmen und Vorstand (CEO) der White Sky Group.

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